Im Interview mit Prof. Dr. Johannes Treu, Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre an der IU Internationalen Hochschule, sprechen wir über finanzielles Wohlbefinden.
Denn gerade in einer Welt, die von globalen Krisen und wirtschaftlichen Unsicherheiten geprägt ist, rückt das Thema finanzielles Wohlbefinden immer stärker in den Fokus. Doch was bedeutet dieser Begriff eigentlich und warum ist er für eine Gesellschaft so wichtig?

Prof. Dr. Johannes Treu
Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre an der IU Internationalen Hochschule
Absolut um mehr! Finanzielles Wohlbefinden ist weit mehr als eine Zahl auf dem Konto. Es beschreibt das Gefühl, mit der eigenen finanziellen Situation zufrieden und sicher zu sein – ohne sich ständig Sorgen über Rechnungen oder die Zukunft machen zu müssen. Übrigens: Man kann ein hohes Einkommen haben und sich dennoch unsicher fühlen, wenn die Kontrolle fehlt. Umgekehrt kann jemand mit einem geringeren Einkommen finanziell gut dastehen, weil er oder sie seine Finanzen im Griff hat und Rücklagen bilden kann.
Ja, hier besteht eine enge Wechselwirkung. Finanzielle Sorgen sind ein erheblicher Stressfaktor, der sogar Angststörungen oder Depressionen auslösen kann.
Umgekehrt stärkt eine stabile finanzielle Basis das psychische Wohlbefinden, da sie Sicherheit und Kontrolle vermittelt. Zu wissen, dass wir uns und unsere Familie versorgen können, gibt uns innere Ruhe – und genau das ist ein menschliches Grundbedürfnis!
Finanzielle Resilienz bildet gewissermaßen die materielle Basis für finanzielles Wohlbefinden. Sie beschreibt die Fähigkeit, unerwartete finanzielle Schocks abzufedern, wie beispielsweise eine kaputte Waschmaschine, steigende Nebenkosten oder den Verlust des Arbeitsplatzes. Wer über Rücklagen verfügt, gerät nicht sofort in eine Notlage, sondern kann Krisen überstehen, ohne seine Existenz zu gefährden.
Gerade in Zeiten von Inflation und schwachem Wirtschaftswachstum ist dieser Puffer von entscheidender Bedeutung, denn steigende Preise entwerten Einkommen und Ersparnisse, während unsichere Arbeitsmärkte das Risiko von Einkommenseinbußen erhöhen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht stabilisieren finanziell resiliente Haushalte sogar die Gesamtwirtschaft, da sie ihren Konsum eher aufrechterhalten können. Sie tragen zur Nachfrage bei und verringern so die Gefahr, dass sich finanzielle Schocks stärker auf die Realwirtschaft auswirken. Denn: Eine wirtschaftlich resiliente Gesellschaft ist auch eine stabile Gesellschaft.
Die Ergebnisse zeigen ein klares, teilweise aber auch überraschendes Bild: Die Babyboomer blicken am gelassensten auf ihre Finanzen, da viele von ihnen bereits gut abgesichert sind. Ihre Priorität liegt vor allem auf Sicherheit.
Die Generation Z ist ein spannendes Phänomen: Obwohl sie in einem von Inflation und hohen Wohnkosten geprägten, unsicheren Umfeld aufwächst, zeigt sie viel Hoffnung und Zuversicht. Angesichts der immer größer werdenden Unsicherheit in der Weltwirtschaft und Geopolitik ist dies ein überraschend positives Ergebnis.
Gleichzeitig stehen sich die Jüngeren oft selbst im Weg, beispielsweise durch Impulsausgaben oder einen fehlenden Überblick über die eigenen Finanzen.
Das macht deutlich: Der Wunsch nach Stabilität ist stark ausgeprägt, doch seine Umsetzung stellt gerade die junge Generation vor erhebliche Herausforderungen.
Finanzbildung ist Bürgerpflicht – für alle. Vor allem junge Menschen benötigen konkrete Tools für den selbstbestimmten Umgang mit Geld, nicht nur theoretisches Wissen. Finanzdienstleister müssen endlich aus ihrem Fachchinesisch ausbrechen und verständliche Lösungen anbieten. Und die Gesellschaft muss aufhören, Geld als Tabuthema zu behandeln. Finanzwissen gehört ins Elternhaus, in die Schule und an jeden Arbeitsplatz. Denn wer finanziell unwissend bleibt, wird abhängig – und das können wir uns als Gesellschaft nicht leisten.
Finanzielles Wohlbefinden ist ein echter Wirtschaftsmotor. Wer sich finanziell sicher fühlt, investiert mutiger – sei es in Bildung, Wohneigentum oder neue Geschäftsideen. Diese Menschen treiben Konsum und Innovation voran, stärken die heimische Wirtschaft und schaffen möglicherweise sogar Arbeitsplätze. Am Ende profitiert jeder von einer finanziell sicheren und resilienten Gesellschaft. Deshalb ist Finanzstabilität keine Privatsache, sondern geht uns alle etwas an.
